Superintendent Dr. Helmut Kirschstein,
"Bilder für einen Raum der Stille" –
eine Einführung zur Ausstellung im Rahmen des Ostfriesischen Kirchentages 2008
Vernissage im Chorumgang der Ludgerikirche Norden, 6. Juni 2008
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Bilder sind mächtig. Sie haben die Macht, Abwesendes anwesend sein zu lassen. Sie haben die Macht, Anwesendes wesentlich oder unwesentlich vor Augen zu führen. Sie haben die Macht, Räume zu prägen: Lebensräume, äußere – aber mehr noch: innere. Und: Bilder sind gefährlich. Sie können beeinflussen, manipulieren, Menschen in innere Abhängigkeit stürzen und Seelen verletzen. Bilder sind gefährlich.
Unsere Generation ist umflutet von Bildern – und droht, in der medialen Bilderflut unterzugehen. Das ist keine Übertreibung: Wer sich vor Augen führt, wie viele Bilder der Grausamkeit, der Menschenerniedrigung und der Sinnlosigkeit die Seelen von Kindern und Jugendlichen zugedröhnt haben, bis die jungen Menschen auch nur erwachsen werden, wird mir recht geben: Bilder sind heute besonders mächtig und besonders gefährlich. Von dieser Macht der Bilder und von ihrer potentiellen Gefährlichkeit weiß der Mensch, solange es Menschen gibt. Schon urgeschichtlich bezeugen Höhlenzeichnungen das Bestreben, durch bildhafte Darstellungen Macht über Menschen und Tiere zu bekommen.
Und offenbar von Anfang an auch Macht über das Heilige: das Leben, die Geister, die Götter. Götterbilder haben in allen Religionen die Aufgabe, das Heilige sichtbar und verfügbar zu machen. Heilige Bilder dienen dazu, Macht über das Unberechenbare zu bekommen. Bilder sollen helfen, göttliche Einflüsse in den Griff der Gebete und ins Gewahrsam kultischer Übungen zu nehmen. Die verstörende Freiheit der Götter soll ins Bild gebannt werden: um der Unabhängigkeit und Freiheit des Menschen willen. Wer sich des Göttlichen durch das Bild bemächtigt, bildet sich menschliche Freiheit ein.
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Was aber, wenn ein Gott auf der historischen Bühne erscheint, dessen Sinn es ist, den Menschen die Freiheit zu schenken? „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus dem Sklavenhaus befreit habe“ – so stellt sich der befreiende Gott Israels vor, bevor er seine zehn Grundgebote erlässt: Gebote als Weisung zum Umgang mit der Freiheit – Gebote gegen die Willkür des Menschen.
Dieser befreiende Gott braucht nicht mehr ins Bild gebannt zu werden. Er ist kein willkürliches Schicksal, das man sich bildhaft vorstellen muss, um es zu bewältigen. Er ist ein befreiendes DU. Er braucht darum nicht ins Bild gebannt zu werden – und das könnte auch gar nicht gelingen: Ein Gott, der Freiheit schenkt, weil er in seinem Wesen selber frei ist: dieser Gott lässt sich in kein Bild pressen.
Aber der Mensch darf das auch nicht tun: um der Freiheit willen. Wer diesen Gott in ein Bild pressen will, verkennt den Garanten seiner eigenen Freiheit. Und verspielt mit der eigenen Freiheit die Würde des göttlichen Gegenübers.
Das alles steht hinter dem revolutionären Bilderverbot der Bibel – dem 2. Gebot des Alten Testaments, gleich im Anschluss an die Selbst-Vorstellung des befreienden Gottes: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“
Was hier im 2. Buch Mose um der göttlichen und der menschlichen Freiheit willen gegen die Gottesbilder gesagt wird, ist später im jüdischen Glauben auf jede Form bildhafter Darstellung ausgeweitet worden: Sensibel für die Macht der Bilder überhaupt – im Wissen um die Gefahr, die der Freiheit des Menschen grundsätzlich von bildhaften Festlegungen und Ein-Bildungen droht, verwehrt das Alte Testament mit der Gottesdarstellung auch jede weitere Darstellung im Bild.
In dieser Bilder-freien Zone kann – und soll! – ein anderes Medium umso stärker wirken: das göttliche Wort. Nicht durch ein fixierendes Bild – sondern durch sein inspirierendes Wort stellt sich der befreiende Gott der Bibel dem Menschen vor. Man könnte also auch umgekehrt sagen: Gott ist beim Menschen im Wort – darum soll sich niemand etwas auf ihn ein-bilden.
Dabei setzt das freie Wort ja durchaus Phantasie frei – in bildhafter Rede und sprachlichen Gleichnissen bilden sich Güte und Barmherzigkeit, aber auch Stärke und Willenskraft Gottes ab. Das Wort unterstreicht die Ehre des freien Gottes – und dringt auf die Würde des befreiten Menschen: Der Mensch selbst ist zum Bilde Gottes bestimmt. Allein der Mensch darf Gottes Abbild sein und soll das göttliche Wesen verkörpern.
Tatsächlich ist der Mensch aber immer wieder drauf und dran, seine Würde – seine Gottesebenbildlichkeit als Spiegel des göttlichen Wesens – zu verspielen. Das einzige durch und durch göttliche Abbild ist in neutestamentlicher Perspektive denn auch Jesus Christus allein: „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“, heißt es Kol 1,15. Die Würde, in gleicher Weise zum Ebenbild Gottes berufen zu sein, bleibt aber jedem Menschen zugeeignet.
So konzentriert das alttestamentliche Bilderverbot für uns Christen den Blick auf das einzig legitime Gottesbild überhaupt: auf Jesus Christus. Um der Würde aller Menschen willen, müssen wir daran interessiert sein, dass alle anderen Bilder den Raum frei halten für Seine Gegenwart – dafür, dass Er den freien Raum nutzen mag, um Sein befreiendes Wort zu sprechen.
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Das betone ich in einer Zeit massiver Gefährdung der Menschenwürde und der Gottesehre durch die gefährliche Macht der Bilder. Aber ich betone dies auch in staunender Freude über die Bilder, die Britta Weßling für die Ausstellung „a silent room“ geschaffen hat. Sie nimmt alles Wissen über die Gefahr fixierender Bilder mit: Aus ihrer reformierten Tradition heraus weiß sie um die Bedeutung des freien Gottes für den freien Menschen. In dieser Freiheit schafft sie Kunstwerke, die den Raum offen halten: frei von Festlegungen und Fixierungen des Göttlichen, frei für die Präsenz der herrlichen Gegenwart Gottes in den Gefühlen und Gedanken der Menschen, die den „silent room“ betreten.
So viele Bilder schreien – nicht erst in der postmodernen Computer-Animation, auch in moderner wie klassischer Kunst. Die Bilder von Britta Weßling dagegen strömen ein beredtes Schweigen aus: Sie sind Ausdruck des Staunens über die Schönheit des Schöpfers, des Versöhners, des Erlösers – ästhetischer Hinweis auf die schöne Gegenwart Gottes, die sich in der Stille dieser Bilder spiegelt und uns vom Sehen ins Hören bringen mag. „a silent room“ öffnet das Herz für das Hin-hören und das Aus-sprechen des Wortes im Angesicht Gottes. In Ehrfurcht vor Gott und in Liebe zur Menschenwürde dürfen wir hoffen, dass die Besucherinnen und Besucher des „silent room““ in diesem heiligen Schweigen zum Gebet finden.
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Lange Nacht der Kirchen Hamburg 2008
Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern
Hauptpastorin Birgit Vočka
Textbetrachtung Markus 1, 35–39
Die Evangelisten erzählen uns vom Leben Jesu. Sie berichten uns von seinen Worten und Werken. Viele einzelne Episoden fügen sie zusammen – jeder Evangelist ein bisschen anders als die anderen. So ist jedes Evangelium ein Mosaik aus Erinnerungen, die zusammen das Bild eines ungewöhnlichen Lebensweges ergeben: das Leben Jesu. Da gibt es die Glanzstücke der Überlieferung. Sie leuchten hervor: Jesu Gleichnisse, Jesu Wunder, Jesu Predigtworte auf dem Berg und Streitgespräche mit seinen Gegnern. Und dazwischen oder daneben gibt es Unauffälliges: Bemerkungen am Rande, summarische Zusammenfassungen des Geschehens, Wegnotizen – „Überleitungen“ werden diese Textstücke genannt. Sie fallen nicht ins Auge. Sie füllen nur die Zwischenräume und dienen als „Verbindungsstücke“. Sie sind wie die Fugen, die zwischen den einzelnen Teilen des Mosaiks auftauchen.
Ein solches Stück möchte ich Ihnen heute vorstellen. Es sind 5 Verse aus dem Markusevangelium. Sie informieren den Leser darüber, dass Jesus vom ersten Zentrum seines Wirkens, nämlich Kapernaum, aus in andere Gegenden zog. Sie enthalten die Notiz, dass er viele Kranke heilte und sich im Gebet dazu die Kraft holte. An sich keine spektakuläre Geschichte und doch ein „starker Text“ – ein Text, der einen stillen Raum eröffnet zwischen aufregenden, aufreibenden Ereignissen.
Nachdem Jesus also in Kapernaum vielen Kranken, „die mit mancherlei Gebrechen beladen waren“, geholfen hat und vielen „bösen Geistern“ begegnet war und bevor er dasselbe an anderem Ort wieder tut, erzählt uns Markus in wenigen unscheinbaren Versen Folgendes: Und am Morgen, noch vor Tage, stand er auf und ging hinaus. Und er ging an eine einsame Stätte und betete dort. Simon aber und die bei ihm waren, eilten ihm nach. Und als sie ihn fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann sucht dich! Und er sprach zu ihnen: Lasst uns anderswohin gehen, in die nächsten Städte, dass ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.
Ganz früh, als alle noch fest schlafen, steht Jesus auf und geht hinaus. Er geht an eine „einsame Stätte“ – an einen Ort, den keiner kennt, jedenfalls nicht so früh am Morgen. Einen Ort, an dem er allein sein kann – allein mit sich und mit Gott.
Welch ein Kontrast: Eben noch war von der Menge der Menschen die Rede, hier sehen wir den Einzelnen und hören von der Einsamkeit im Gebet; eben noch waren da die bösen Geister, die alle Kräfte verzehren, hier sucht Einer die Verbindung mit dem guten Geist seines Lebens, der ihm neue Kraft schenkt; eben noch die Beanspruchung durch die anderen, die Forderungen, das Leid, das Geben-müssen und Helfen-wollen, hier die Ruhe, das Sich-fallen-lassen, das einfach Dasein-dürfen und sich Erholen.
Ein Vers nur ist dem Moment gewidmet, in dem erzählt wird, wie Jesus Kraft schöpft für sein Wirken. Wie macht er das? Lässt er seine Gedanken treiben? Schließt er die Augen? Was geht jetzt vor in ihm? Spricht er leise mit Gott? Und wenn ja, wie … Spricht er ein Gebet das er kennt, spricht er sein Gebet (das Vaterunser)? Oder schweigt er „nur“?
Wie mache ich das? Das Wie wird nicht erzählt, und doch vermittelt uns der Text: Was da geschieht, ist wichtig, ja lebenswichtig. Da schöpft einer Kraft, „tankt auf“, wie wir zu sagen pflegen.
„Die erste dir anvertraute Seele“, hat einmal jemand gesagt, „ist deine eigene.“ Auch Jesus weiß: Ich kann nur für andere da sein, wenn ich, wie wir zu sagen pflegen, auch für mich sorge. Für mich sorgen – das aber ist für Jesus nicht ein weiterer Akt eigener Anstrengung, sondern im Gegenteil: Jesus sorgt für sich, indem er demjenigen Raum gibt, der für ihn sorgt: seinem himmlischen Vater.
Einen Vers lang hat Gott allein das Sagen. Und die Zeit scheint still zu stehen. Ein Moment, der Abstand schafft – und zugleich verbindet, was ohne ihn nicht halten würde.
Dieser Moment ist wie die Fuge zwischen den Mosaikteilchen. Klein und schmal und unauffällig – und doch unerlässlich für das Ganze. Und ohne diese Fuge, dieses Dazwischen – würden die anderen Stellen nicht wirken und nicht leuchten, ja wären sie überhaupt nicht, was sie sind.
Ohne den Rückzug ins Gebet, hätte auch Jesus keinen Schritt weiter gehen können. Ohne diesen Moment der Stille, in den jäh die Unruhe wieder einbricht, gäbe es kein anderswohin mehr. Deshalb ist er so wichtig – der stille Raum, wo immer er sich auftut – auch für uns! Amen
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Meditation über die 12-Tafel-Gestaltung
für St. Christophorus, Sylt
Dr. Ulrich Hoppe
Jesus sagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist. Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher. Da fragte Jesus die Zwölf (!): Wollt auch ihr weggehen? – Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.
Intonation des Liedes
evtl. Vorsingen des Refrains und Wiederholung durch die Gemeinde
V/A: So wie die Nacht flieht vor dem Morgen,
so zieht die Angst aus dem Sinn,
so wächst ein Licht in Dir geborgen,
die Kraft zum neuen Beginn.
V: Ein Funke aus Stein geschlagen
wird Feuer in kalter Nacht.
Ein Stern vom Himmel gefallen
zieht Spuren von Gottes Macht.
(A): Refrain
(Dezente Untermalung mit Musik)
Ein Lied vom Licht. Funke aus Stein geschlagen, Feuer in kalter Nacht, Stern vom Himmel gefallen. Zwölf Tafeln, die das Licht brechen, die den Raum in ein anderes Licht tauchen. Zwölf Stämme Israels, die sich entscheiden, Gott zu dienen. Zwölf Apostel, die mit Jesus gehen durch die Dunkelheit zum Licht, per aspera ad astra, durch das Raue und Ungereimte zu den Sternen, durch den Tod zum Leben. Unsere Füße bleiben auf dem Boden, auf dem Boden der Tatsachen und des Alltags, wir bleiben der Erde verhaftet, und doch: Unser Blick geht nach oben in eine andere Welt. Fenster zum Himmel wurden die alten Ikonen genannt. Mit Simon Petrus können wir sagen: Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du, Christus, den wir in der Gestalt des Brotes empfangen haben, bist der Heilige Gottes. Hier ist die Kraft zu neuem Beginn.
V: Gut in Wassern gesunken
wird Glanz in spiegelnder Flut.
Ein Strahl durch Wolken gedrungen
wird Quell von neuem Mut.
(A): Refrain
Im Kirchenschiff versammelt, erleben wir Geborgenheit im Lichte Christi. Wir erleben und erleiden aber auch den Schiffbruch dieser Welt, im Großen wie im Kleinen. Jede und jeder von uns könnte Geschichten erzählen von Seenot und von der Angst unterzugehen und zu ertrinken. Wohl dem, der ein Holzbrett zu fassen bekommt, an dem er sich festhalten kann. Manchmal reicht auch schon ein Mut machendes Wort, das wie ein Strahl durch die Wolken dringt. Zwölf Holzbretter weisen uns hin auf den, der am Holze starb: Das Kreuz Christi ist die rettende Planke im Schiffbruch der Welt, Glanz in spiegelnder Flut, Kraft in tiefer Not. Im Kreuz Jesu Christi finden wir Heil.
Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.
V: Ein Lachen in Deinen Augen
vertreibt die blinde Wut.
Ein Licht in Dir geborgen
wird Kraft in tiefer Not.
(A): Refrain
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